Mit den Klavierstimmern unterwegs
Feingefühl für den guten Ton
Während den Herbst- und Frühlingsferien werden alle Klaviere der Musikschule Region Dübendorf gestimmt und gewartet, unerlässlich für einen qualitativ hohen und einwandfreien Klavier- und Musikunterricht. Letzten Herbst durften wir in Schwerzenbach zwei Klavierstimmer von Pianohaus Schoekle begleiten und mehr über diese wichtige Arbeit im Hintergrund erfahren. Entstanden ist ein faszinierender Einblick in ein leider selten gewordenes Handwerk.
Wir treffen Mathias Roth und Hans-Peter Lenz an einem Herbstmorgen in den leeren und ungewohnt ruhigen Gängen des Schulhauses Heggerwies in Schwerzenbach. Gleich zu Beginn des Gespräches spürt man bei beiden die Leidenschaft für diesen Handwerksberuf, der viel Fingerspitzengefühl, Geduld und vor allem auch grosses Wissen voraussetzt. Ein gut geschultes Gehör, das sich über die Jahre wie ein Muskel trainieren lässt, hilft zusätzlich.
Der Weg zum Klavierbauberuf
Mathias Roth fand über einen glücklichen Zufall zum Beruf des Klavierbauers. Sein Bruder spielte in einer Band, in der ein Mitglied diesen Beruf erlernte, eine vierjährige Ausbildung. Die Faszination war da, das Interesse geweckt. Ganz in der Nähe, bequem mit dem Velo erreichbar, befand sich tatsächlich eine Klavierbauwerkstatt, in welcher er schnuppern und später auch die Lehre absolvieren konnte. „Es hat einfach alles gepasst, Beruf und Arbeitsweg“, erzählt er.
Hans-Peter Lenz hingegen stammt aus einer Klavierbauerfamilie. Schon der Grossvater und der Vater waren Klavierbauer mit eigenem Geschäft. Seine Lehre begann er beim Vater, beendete sie jedoch bei Jecklin in Zürich, nachdem sein Vater seine Selbständigkeit aufgegeben hatte. Heute kümmert sich Hans-Peter mit viel Herzblut um das Stimmen und die Pflege unzähliger Instrumente in der Region. Im Betrieb ist er zudem für die Ausbildung der Lernenden verantwortlich.
Ein Beruf mit Nachwuchssorgen
„Im aktuellen ersten Lehrjahr gibt es in der ganzen Schweiz keine Lernenden“, sagen beide mit grossem Bedauern. Im zweiten Lehrjahr sind es gerade einmal zwei, einer davon in ihrem Betrieb. Ausgebildet werden sie nebst im Lernbetrieb im Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg im Kanton Thurgau, wo verschiedene Instrumentenbauberufe gemeinsam unterrichtet werden. „Alle Instrumentenbauberufe klagen über fehlenden Nachwuchs“, sagt Lenz. „Früher waren die Klavierbaulernenden am zahlreichsten vertreten, heute stellen sie leider die wenigsten Lernenden im Bereich Instrumentenbau. Nicht selten sind Klavierbauer und -stimmer noch weit über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus tätig, weil es zu wenig Fachkräfte gibt. Ein Beruf mit viel Potenzial, wie es scheint.
Handwerk, Vertrauen und Musik
Was beide an ihrem Beruf besonders schätzen, ist die Abwechslung. Kein Tag ist wie der andere, kein Instrument ist gleich. „Es ist ein cooler Beruf“, sagt Mathias. „Man ist bei den Menschen zu Hause, das ist ein Vertrauensjob. Oft wird der Schlüssel einfach hinterlegt.“ Auch Hans-Peter liebt die Abwechslung: „Wir arbeiten mit Holz, Metall und Filz und mit Menschen. Über die Jahre entstehen echte Beziehungen zu den Kunden.“
Vier bis fünf Klaviere pro Tag
Zwischen privaten Wohnzimmern, Musikschulen und Konzertlokalitäten stimmt ein Klavierstimmer im Schnitt vier bis fünf Instrumente pro Tag. Eine Stimmung dauert rund eineinhalb Stunden. Bei grösserem Wartungsbedarf braucht es mehr Zeit und manchmal auch einen zweiten Termin.
Das Stimmen ist ein Job fürs Feine. Oft sind es die kleinen Unterschiede während dem Stimmen, denn es kann wichtig sein, in welcher Frequenz (Einheit Hertz) das Klavier gestimmt ist. „Das kann vor allem bei Konzerten mit verschiedenen Instrumenten einen entscheidenden Unterschied machen, dieser liegt teilweise sogar im Zehntels Bereich. Es ist für uns deshalb wichtig zu wissen, welche Instrumente an einem Konzert beteiligt sind.“, betont Mathias Roth.
Die Tonhöhe hat auch einen Einfluss auf die mechanische Spannung des Gussrahmens eines Instrumentes. Das Instrument höher stimmen bedeutet auch mehr Zugspannung auf die Saiten: Bei einem 88-Tasten-Klavier kann das eine Gesamterhöhung der Saitenspannung um einige hundert Kilogramm bedeuten, verteilt auf das ganze Instrument.
Erlebnisse zwischen Butlern und Baustellen
Die Arbeit führt an die unterschiedlichsten Orte: „Bei einem unserer Kunden öffnet mir jeweils der Butler die Türe, den Kunden habe ich noch nie getroffen. Es wird jeweils auch peinlichst auf Sauberkeit geachtet und Tücher für meinen Werkzeugkoffer ausgelegt.“, erzählt Mathias schmunzelnd. Ein anderes Mal musste ein 530 Kilo schwerer Konzertflügel im Wert von CHF 270'000 durch ein Fenster transportiert werden. Dabei arbeiten sie mit einer Logistikfirma zusammen, welche ausschliesslich Klaviere transportiert. Oder ein Auftrag mitten in einem Umbau, ohne Fenster und Türen, bei acht Grad Raumtemperatur. Da habe er nur noch geschlottert. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein weisses Seiler-Klavier, das einen Hausbrand unversehrt überstand, beinahe ein Wunder. „Es hat aber furchtbar nach Rauch gestunken. Wir haben alles versucht, um den Geruch zu beseitigen, sogar mit Kaffeebohnen.“ Heute steht der mrd dieses Instrument zur Verfügung und wird in Fällanden im Unterricht gespielt.

Präzision in jeder Bewegung
Das Stimmen eines Klaviers ist Millimeterarbeit. Die rund 220 Stimmwirbel halten einer Zugkraft zwischen 16‘000 und 18‘000 Kilogramm stand und müssen in die richtige Position gebracht werden. Während die tiefen Töne mit dicken Kupfersaiten bespannt sind, haben die hohen zwei bis drei Stahlsaiten pro Ton. Beim Flügel ist die Herausforderung etwas grösser, da die Saiten waagrecht verlaufen, doch das Prinzip bleibt dasselbe. Ein wichtiger Bestandteil der Wartung ist auch der Unterhalt des Instrumentes. Gerade die Mechanik, sie besteht aus über 2500 Einzelteilen, sollte immer wieder nachjustiert, eingestellt und auch gereinigt werden. Ein sehr spannender und herausfordernder Teil des Unterhaltes ist das Intonieren der Hammerköpfe. Hier braucht es viel Erfahrung, sehr viel Fingerspitzengefühl und ein gut geschultes Ohr. Die Unterschiede sind teilweise bemerkenswert.
Während Mathias Roth meist mit einem elektronischen Stimmgerät als Unterstützung arbeitet, verlässt sich Hans-Peter Lenz oft ganz auf sein Gehör. Nur gelegentlich zieht er ein Gerät zu Hilfe. Es gibt auch Kollegen, die mit der klassischen Stimmgabel arbeiten, ganz wie früher.
Pflege zahlt sich aus
Beide betonen, dass regelmässiges Stimmen entscheidend ist, selbst, oder genau erst recht, wenn das Instrument selten gespielt wird. „Nicht spielen heisst nicht, dass man nicht stimmen muss“, sagt Mathias. „Ein Klavier ist wie ein Auto: Es braucht Service und Pflege, dann hat man lange Freude daran.“ Wichtig ist zudem eine möglichst konstante Feuchtigkeit, das Klavier fühlt sich bei 45 bis 55 % Luftfeuchtigkeit am wohlsten.

Gewährleistet wird diese Feuchtigkeit zum Beispiel mit einem so genannten Dampp-Chaser System (Klimagerät), direkt im Instrument eingebaut. Dieses System sorgt dafür, dass die Feuchtigkeit im Inneren stabil bleibt. Spannender Fakt: „In Minergie Häusern ist das fast unmöglich, da ständig Luft umgewälzt wird und die Luftfeuchtigkeit grade in den Wintermonaten sehr tief ist“, erklärt Mathias.
Übrigens. Beide spielen selbst kein Klavier, ausser den Grundlagen, die sie während der Ausbildung gelernt haben. Doch ihr Gehör ist geschult, ihre Hände sind präzise, und ihr Feingefühl ist beeindruckend.
Informationen zu Pianohaus Schoekle
Pianohaus Schoekle in Affoltern am Albis steht für hochwertige Tasteninstrumente, individuelle Beratung und professionelle Services rund um Klaviere, Flügel und auch Digital Pianos. Das Familienunternehmen fokussiert sich auf Verkauf und Vermietung von Stellungsinstrumenten, Wartung und Unterhalt von akustischen Tasteninstrumenten und adressiert musikbegeisterte Privatkundinnen und -kunden sowie Bildungseinrichtungen und setzt auf persönliche Betreuung vor Ort.
Ziel: nachhaltige Kundenbeziehungen durch Qualität, Fachkompetenz in überregionalen Einsatzgebieten.